Cassel
Alemania
in front of Kunsthalle Fridericianum, foot of stairs to portal Nombres y Piedras - Homenaje desde 2 Junio 1992
desconocido
HNA.de
Installation vor dem Fridericianum um sechs Namen erweitert – Krankheit drängt Betroffene oft in Isolation
Pflastersteine erinnern an Aids-Tote

Kassel. Als er den Sand vom Stein seines Freundes gekehrt hat, bricht der Mann in Tränen aus. „Ich habe jahrelang gesagt, er sei an Magenkrebs gestorben. Ich habe es einfach nicht geschafft, die Wahrheit zu sagen.“ Sein Freund war an Aids gestorben.

Um der Menschen aus der Region, die am HI-Virus gestorben sind, zu gedenken und zugleich ein Zeichen der Solidarität mit den Erkrankten zu setzen, hat die Aids-Hilfe Kassel am Samstagabend sechs beschriftete Steine in das Pflaster vor dem Fridericianum eingelassen. Sie ergänzen eine Installation des Berliner Künstlers Tom Fecht, die 1992 zur documenta 9 unter dem Titel „Denk-Raum“ dort angelegt wurde.
Den Einweihungstermin hatte die Aids-Hilfe Kassel auf das Wochenende der Mitgliederversammlung der Deutschen Aids-Hilfe gelegt, während der 100 Teilnehmer im Kulturbahnhof tagten.
In Nordhessen sind etwa 450 Menschen HIV-positiv, schätzt Rainer Schultz, Geschäftsführer der Aids-Hilfe Kassel. Bundesweit steckten sich etwa 3000 Menschen im Jahr an. Zu drei Vierteln betroffen seien Schwule.
Insgesamt 76 Aids-Opfer aus der Region sind nun an dem öffentlichen Gedenkort vor dem Fridericianum verewigt. Teils mit vollem Namen, teils nur mit Vornamen, in einige Steine sind auch lediglich die Initialen graviert. Wie groß der Wunsch nach Anonymität vieler Betroffener oder der Angehörigen sei, zeige auch, dass einige der Steine verkehrt herum eingesetzt sind, sodass die Beschriftung unter der Erde bleibt, sagt Schultz.
Während sich die medizinischen Möglichkeiten in den 30 Jahren seit dem Feststellen von Aids als Krankheit stark verbessert hätten, sei hinsichtlich der sozialen Bedingungen noch lange keine Normalisierung eingetreten. Aids sei nach wie vor ein Tabu und dränge die Betroffenen häufig an den Rand der Gesellschaft.
Wie viel die Aids-Bewegung aber bereits bewirkt und wie sehr sie die Trauerkultur verändert hat, machte Prof. Dr. Reiner Sörries vom Museum für Sepulkralkultur in seiner Ansprache deutlich. In dieser Szene werde zwar der Tod des Menschen betrauert, aber vielmehr noch dessen gelebtes Leben gefeiert. Das habe dazu geführt, dass auch andere Trauerfeiern zunehmend bunter und in weniger gedämpfter Atmosphäre begangen würden. „Ich glaube, dass diese Entwicklung unser Land noch weiter verändern wird.“

Foto: Aids öffentlich machen: Reiner Sörries (Direktor Museum für Sepulkralkultur, links), Sylvia Urban (Deutsche Aids-Hilfe) und Roland Gayer (Aids-Hilfe Kassel) an einem der neu eingelassenen Gedenksteine. © Socher

10 Octubre 2010
Katja Rudolph, Kassel